Bei Verena Dittmann und Maren Ottenbreit in der Soopkitchen herrscht eine unglaublich fröhliche Stimmung. Man vergisst fast, dass die beiden ja eigentlich arbeiten, während sie so ganz entspannt mit Laptop in der Hängematte liegen. Doch das tun sie – und zwar mit viel Elan und Herzblut für ihr Hängemattenprojekt K'UYUY!
Verena gründete im Jahr 2013 das Projekt, welches mit Jugendlichen in Nicaragua arbeitet, die aufgrund verschiedener Beeinträchtigungen von Familie und Bevölkerung verstoßen und ausgegrenzt werden. Durch K'UYUY wird diesen jungen Menschen nicht nur Arbeit und Perspektive gegeben – das Projekt trägt gleichzeitig zur Erhaltung einer traditionellen und sehr besonderen Webtechnik bei.
K'UYUY heisst übersetzt „Fäden miteinander verbinden“. Doch es sind nicht nur Fäden die durch das humanitäre Projekt verbunden werden – es sind vor allem die Menschen und die Kultur. Möglich ist das alles durch die Hilfe von Antonio – ein guter Freund von Verena, den sie als „Geschenk“ bezeichnet. Der gebürtige Valencianer ist in Nicaragua vor Ort und leitet dort die Produktionsstätte. Dazu betreibt er ein Café für Gehörlose.
Seit 2016 ist Maren bei K'UYUY mit im Boot und unterstützt Verena tatkräftig. Die beiden haben seit diesem Jahr Lager, Büro und Showroom in der wunderbaren Soopkitchen eingerichtet und in diesem Zuge gleich eine neue Veranstaltungsreihe an den Start gebracht: An jedem ersten Wochenende im Monat findet ab jetzt in der Soopkitchen das „Potpourri“ statt – man kann mit Musik und Drinks in den wunderschönen Hängematten abhängen, dazu werden verschiedene Produkte junger Künstler und Designer präsentiert.
Liebe Verena, erzähle mir ein bisschen über dich und deinen bisherigen Werdegang.
Verena: Ich habe in Heilbronn internationale BWL und arabische Kultur studiert, habe dieses Studium aber nach 2 Semestern abgebrochen, beziehungsweise erstmal auf Eis gelegt. Es hat mich aus Deutschland weg getrieben und ich wollte unbedingt nach Spanien. Das Land, die Sprache – das hat mich schon immer total gereizt. Warum, weiß ich auch nicht. So habe ich mich aufgemacht und bin zuerst nach Valencia und dann nach Ecuador um dort Tourismus zu studieren.
5 Jahre später kam ich zurück nach Deutschland – erst nach Berlin, dann Köln, dann nach Stuttgart und habe mein Studium in Heilbronn doch noch beendet. Danach hatte ich kurzzeitig den Gedanken, ich müsse „seriös“ werden und habe einen Job bei einem großen Unternehmen angefangen. Als dann das Thema unbefristeter Arbeitsvertrag aufkam, wurde mir urplötzlich ganz klar, dass dies absolut nicht das ist, was ich machen möchte.
Wie kam die Idee zu K'UYUY?
Verena: 2008 habe ich in Ecuador ein Praktikum beim ehemaligen Deutschen Entwicklungsdienst gemacht. Dabei war ich unter anderem in ein Generationenprojekt involviert, bei dem es darum ging, eine uralte Webtechnik für Hängematten zu erhalten. Neben dem Erhalt der Webkunst ging es auch um die finanzielle Unterstützung der älteren Generationen, die diese Webkunst weitergaben und die Ausbildung junger, perspektivloser Erwachsenen.
Die Idee mit den Hängematten hat mich seitdem nie losgelassen und den Kontakt zu den Menschen im Projekt habe ich nie abgebrochen. So hat sich zwischen 2008 und 2013 immer mehr die Idee um K'UYUY in meinem Kopf ausgereift. Am Ende hatte ich quasi schon das Konzept für unsere Firma fertig im Kopf. Die Idee war es eine Art NRO zu gründen, bei der sich alle Projekte um die Hängematte und deren Webtechnik drehen sollte.
Ziel war es, Projekte mit den verschiedenen sozialen Zielen und aus verschiedenen Ländern, deren gemeinsamer Mittelpunkt jedoch die Hängematte ist, in einer Firma zu bündeln und damit Synergien zu erzeugen.
Ich konnte dann eine Freundin aus dem Studium überzeugen mitzumachen und wir haben das alles ganz spielerisch angefangen.
Wir sind also nach Ecuador gereist und wollten einfach mal schauen wo es fehlt. Noch im Flugzeug haben wir uns angeschaut und gefragt „Wie machen wir das jetzt eigentlich!?“ Also anfangs echt total planlos.
Wir waren dann in Ecuador & Peru ein paar Monate auf Reisen, haben viele tolle Leute kennengelernt und haben nach unserer Rückreise die Firma gegründet und einfach mal losgelegt.
Was ist die Mission hinter K'UYUY ?
Verena: Hauptsächlich geht es uns bei K'UYUY um die Menschen, sowohl in unserem derzeitigen Projekt in Nicaragua als auch um alle, die unsere Hängematten kaufen können. Wir empfinden es als eine Art der gegenseitigen „Entwicklungshilfe“. In Nicaragua haben Menschen mit körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen kaum eine Chance auf Arbeit, geschweige denn auf einen Job, bei dem sie fair behandelt und geschätzt werden.
Durch unser Projekt können wir einigen Menschen diese Chance auf Selbstbestimmung und Selbstversorgung ermöglichen. Hauptsächlich geht es jedoch um die Sensibilisierung der Gesellschaft – und das nicht nur in dem fernen Nicaragua, sondern auch hier bei uns. Es ist schön zu sehen wie sehr sich unsere Kunden für das Projekt interessieren und wie dankbar sie für die Transparenz und Aufklärung sind.
K'UYUY ist keine Hilfsorganisation, sondern lediglich eine Firma mit unglaublich begabten Mitarbeitern, extrem entspannten Kunden und den schönsten und bequemsten Hängematten. Und es geht uns darum gemeinsam was Sinnvolles und Schönes fertigzubringen, was unsere Welt einen Schwung bunter, lustiger und gemütlicher macht.
Maren: Neben der Projektarbeit ist eine weitere Mission von K'uyuy die Hängematte hier in unsere Kultur zu bringen und zu etablieren. Man braucht dazu nicht mal einen Garten, wir möchten die Hängematten in die Wohnzimmer bringen. Viele setzten die Hängematte immer nur mit Urlaub in Verbindung, dabei kann man sich das schöne Lebensgefühl ganz einfach auch in die eigene Wohnung holen.
Was mögt ihr an Stuttgart?
Verena: Anfangs gar nix. Nirgends war es so schwer anzukommen als in Stuttgart und ich wollte direkt wieder weg. Als ich dann in meiner zweiten Woche nach 22 Uhr eine Flasche Wein im Supermarkt kaufen wollte, hatte ich meinen Tiefpunkt erreicht. Aber irgendwas Magisches muss diese Stadt haben, denn ich bin jetzt nach 7 Jahren immer noch hier. So schwer es war in der Stadt anzukommen, so schön ist es jetzt und so schwer wäre es zu gehen. Und heute muss ich auch gestehen, dass ich mich extrem wohl fühle.
Sich Stück für Stück auf die Stadt einzulassen und diese ganz besonderen Menschen und auch Ecken gefunden zu haben, das macht für mich Stuttgart aus.
Ich finde auch, dass sich die Stadt sehr positiv entwickelt hat.
Das Leben kann hier tatsächlich sehr aufregend und doch auch einfach sein. Stuttgart ist keine besonders „anstrengende“ Stadt und trotzdem ist das kulturelle Angebot ziemlich gut. Es gibt natürlich viele Dinge hier die immer noch nerven: das bürokratisch-konservative und die stickige Luft beispielsweise. Aber immerhin gibt´s jetzt wieder Wein nach 10.
Maren: Ich finde Stuttgart hat eine angenehme Größe. Man verliert sich nicht, es ist wie ein großes Dorf und man hat ein großes Netzwerk was sich immer dichter verknüpft. Anfangs war ich auch kein großer Fan von Stuttgart. Doch wenn es einen „reinlässt“, dann bleibt man.
Vielen Dank, liebe Verena und liebe Maren, für das Interview. Auf viele weitere fröhliche Zeiten mit K'UYUY!
K'UYUY
Weissenburgstr. 35
70180 Stuttgart
Mo - Fr 09.30 - 14.30 Uhr
und nach Vereinbarung
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